Analysen zum Arzneimittelverbrauch
Das WIdO analysiert regelmäßig Entwicklungen beim Arzneimittelverbrauch. Die Ergebnisse der Analysen und die dafür erforderlichen methodischen Grundlagen und Klassifikationen veröffentlicht das Institut in unterschiedlichen Publikationen.
Antibiotikaverbrauch
Eine Auswertung des WIdO zum Antibiotikaverbrauch im Zeitraum von 2013 bis 2022 zeigt, dass fast jede 25. ambulante Verordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Antibiotikapräparate entfiel. Im Jahr 2022 wurden insgesamt rund 31 Millionen Verordnungen von Antibiotika abgerechnet. Dies entspricht einem Wert von 733 Millionen Euro zu Lasten der GKV. Im Jahr 2019 waren es noch 34 Millionen, in den Jahren 2020 und 2021 sanken die Verordnungen auf 26 beziehungsweise 24 Millionen. Trotz des neuerlichen Anstiegs ist die Tendenz der Verordnungszahlen seit 2013 sinkend.
Verordnung von Reserveantibiotika
Reserveantibiotika sind Mittel der zweiten Wahl, für deren Einsatz eine strenge Indikation vorgesehen ist. Sie sollten den Leitlinien entsprechend nur im Bedarfsfall bei schweren bakteriellen Erkrankungen eingesetzt werden. Der Verordnungsanteil von Reserveantibiotika blieb trotz der in 2022 wieder steigenden Antibiotika-Verordnungen stabil und lag bei 42 Prozent.
Ein ungerechtfertigter Einsatz von Reserveantibiotika kann die Resistenzbildung bei Bakterien beschleunigen und zur Ausbildung multiresistenter Keime beitragen. Angesichts der bereits heute steigenden Resistenzen gilt daher die goldene Regel bei der Verschreibung von Antibiotika: so wenig wie nötig und so gezielt wie möglich. Nur so kann verhindert werden, dass die hohe Wirksamkeit eines antibiotischen Wirkstoffs für die Zukunft leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird.
Regionale Unterschiede beim Einsatz von Antibiotika
In einer Auswertung aller Verordnungen aus den 17 Kassenärztlichen Vereinigungen waren durchschnittlich 191 Standardantibiotika-Verordnungen und 176 Verordnungen von Reserveantibiotika je 1.000 Versicherte im Jahr 2022 zu verzeichnen. Eine Analyse für die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen weist beachtliche regionale Unterschiede auf.
Neue antibiotische Wirkstoffe werden benötigt
Neben einer zurückhaltenden Verordnung von Antibiotika werden auch neue Wirkstoffe benötigt, welche in der Lage sind, die gegebenen Resistenzen zu überwinden.
In den vergangenen zehn Jahren waren lediglich neun von insgesamt 362 Wirkstoffen, die neu in den Markt eingeführt worden sind, Antibiotika.
Risikoreiche Fluorchinolone in Deutschland
Seit Jahren wird weltweit berichtet, dass Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone mit erhöhten Risiken für die Patienten verbunden sind. Gerade diese Antibiotika werden in Deutschland im Vergleich sehr häufig verordnet. Erstmals konnten nun, basierend auf Studienergebnissen, die zusätzlichen Risiken dieser Arzneimittel im Vergleich zu anderen Antibiotika abgeschätzt werden: Für die 3,3 Millionen im Jahr 2018 mit Fluorchinolonen behandelten Patienten in Deutschland ist damit zu rechnen, dass mehr als 40.000 Patienten von Nebenwirkungen wie einer Schädigung des Nervensystems, einem Sehnenriss oder einer Schädigung der Hauptschlagader betroffen waren. In Deutschland wird noch immer zu häufig mit dieser Gruppe der Reserveantibiotika behandelt, da für viele Indikationen gut wirksame, aber risikoärmere Substanzen zur Verfügung stehen. Pharmazeutische Hersteller sollten von betroffenen Patienten stärker in die Verantwortung für ihre Produkte genommen werden können.
Arzneimittelverbrauch nach Alter und Geschlecht sowie nach Arztgruppen
Das Alter der Patientinnen und Patienten besitzt einen wesentlichen Einfluss auf die Morbidität und somit auch auf den Arzneimittelverbrauch. Der Einfluss des Geschlechts auf die Medikation ist ebenfalls seit langem belegt. So erfordern einige Analysen die Berücksichtigung dieser Faktoren, um eine Interpretation der Daten zu ermöglichen.
Der Arzneimittelverbrauch hängt auch maßgeblich vom Verordnungsverhalten der Ärzte ab. Aus diesem Grund analysiert das WIdO den Arzneimittelverbrauch auch nach Fachgruppen der verordnenden Ärzte. Die Auswertungen basieren auf den Verordnungsdaten aus der Arzneimittelabrechnung.
Das wissenschaftliche Team des GKV-Arzneimittelindex untersucht den Arzneimittelverbrauch nach Alter und Geschlecht der Versicherten sowie nach verordnenden Facharztgruppen.
Die Ergebnisse finden sich als tabellarische Übersichten mit umfangreichen Erläuterungen in der ergänzenden Publikation zum Arznerimittel-Kompass "GKV-Arzneimittelmarkt - Klassifikationen, Methodik und Ergebnisse des Jahres 2024".